Thursday, January 28, 2016

Chronic Fatigue Syndrome

                    Englisch

Myalgische Enzephalomyelitis/das Chronic Fatigue Syndrome ME/CFS 

ME/CFS gehört zu den letzten großen Krankheiten, die kaum erforscht sind. Die Myalgische Enzephalomyelitis/das Chronic Fatigue Syndrome ist eine schwere neuroimmunologische Erkrankung, die oft zu einem hohen Grad körperlicher Behinderung führt. Weltweit sind etwa 17 Mio. Menschen betroffen. In Deutschland sind es geschätzt bis zu 240.000. Damit ist ME/CFS relativ weit verbreitet. Die WHO stuft ME/CFS seit 1969 als neurologische Erkrankung ein.


ME/CFS-Betroffene leiden neben einer schweren Fatigue (körperliche Schwäche), die das Aktivitätsniveau erheblich einschränkt, unter neurokognitiven, autonomen und immunologischen Symptomen.

Typisch für ME/CFS ist die Post-Exertional Malaise, eine ausgeprägte und anhaltende Verstärkung aller Symptome nach geringer körperlicher und geistiger Anstrengung. Die Post-Exertional Malaise führt zu ausgeprägter Schwäche, Muskelschmerzen, grippalen Symptomen und der Verschlechterung des allgemeinen Zustands. Sie tritt typischerweise schon nach geringer Belastung wie wenigen Schritten Gehen auf. Schon kleine Aktivitäten wie Zähneputzen, Duschen oder Kochen können zur Tortur werden; Besorgungen im Supermarkt anschließend zu tagelanger Bettruhe zwingen. Für Schwer- und Schwerstbetroffene kann die PEM bereits durch das Umdrehen im Bett oder die Anwesenheit einer weiteren Person im Raum ausgelöst werden.

Neben der Post-Exertional Malaise leiden die Betroffenen unter Symptomen des autonomen Nervensystems wie Herzrasen, Schwindel, Benommenheit und Blutdruckschwankungen. Viele Betroffene können dadurch nicht mehr für längere Zeit stehen oder sitzen. Medizinisch spricht man von der orthostatischen Intoleranz.

Dazu kommen immunologische Symptome wie ein starkes Krankheitsgefühl, schmerzhafte und geschwollene Lymphknoten, Halsschmerzen, Atemwegsinfekte und eine erhöhte Infektanfälligkeit.

Viele Betroffene leiden zudem unter ausgeprägten Schmerzen wie Muskel- und Gelenkschmerzen und Kopfschmerzen eines neuen Typus. Hinzu kommen Muskelzuckungen und -krämpfe, massive Schlafstörungen und neurokognitive Symptome wie Konzentrations-, Merk- und Wortfindungsstörungen (oft als »Brain Fog« bezeichnet) sowie die Überempfindlichkeit auf Sinnesreize. Schwerstbetroffene müssen deshalb oft in abgedunkelten Räumen liegen und können sich nur flüsternd mit Angehörigen verständigen.

Laut einer Studie der Aalborg Universität, 2015, ist die Lebensqualität von ME/CFS-Erkrankten oft niedriger als die von Multiple Sklerose-, Schlaganfall- oder Lungenkrebspatienten. Ein Viertel aller Patienten kann das Haus nicht mehr verlassen, viele sind bettlägerig und auf Pflege angewiesen. Schätzungsweise über 60 Prozent sind arbeitsunfähig.

Häufig beginnt die Krankheit akut nach einem schweren Infekt, aber auch schleichende Verläufe sind bekannt.

Die genauen Ursachen der Erkrankung sind bisher noch ungeklärt. Neuere Studien weisen auf eine mögliche Autoimmunerkrankung und eine schwere Störung des Energiestoffwechsels hin. Auch virale Infektionen, wie der Epstein-Barr-Virus, werden als Auslöser diskutiert.

Ein Biomarker zur eindeutigen Diagnose fehlt bisher. Die Diagnose wird daher nach Ausschluss anderer Krankheiten und anhand etablierter klinischer Kriterienkataloge gestellt. Für ME/CFS gibt es bisher keine zugelassene kurative Behandlung oder Heilung.

Symptome

Die folgende Auflistung orientiert sich in der Beschreibung der Symptomatik von ME/CFS an den Kanadischen Konsenskriterien für Kliniker (2005) und dem Bericht des Institute of Medicine (2015). Die Auflistung der Symptomatik erhebt nicht den Anspruch auf Vollständigkeit, sondern beschreibt die häufigsten Symptome. Nicht jeder ME/CFS-Betroffene hat alle aufgeführten Symptome. Vorkommen, Art und und Intensität der Symptome können von Betroffenem zu Betroffenem variieren.

 (1) Post-Exertional Malaise (PEM)
 (2) Chronische Fatigue
 (3) Orthostatische Intoleranz (OI)
 (4) Neurokognitive Symptome
 (5) Neurologische Symptome
 (6) Erhöhte Infektanfälligkeit
 (7) Immunologische Symptome
 (8) Schlafstörungen
 (9) Muskelschmerzen, Faszikulationen und Krämpfe
 (10) Kopfschmerzen
 (11) Sehstörungen

Verschiedene Bezeichnungen für ME/CFS

Chronic Fatigue Syndrome (CFS)
Die Bezeichnung wurde 1988 von den Centers of Disease Control and Prevention (CDC) eingeführt. Die amerikanische Gesundheitsbehörde untersuchte 1984 den Ausbruch einer chronischen grippeähnlichen Erkrankung  am Lake Tahoe in Nevada. Die Kommission brachte den Ausbruch mit dem Epstein-Barr-Virus in Verbindung. 1988 führte sie für das Chronische Epstein-Barr-Virus-Syndrom die Bezeichnung Chronic Fatigue Syndrome ein. In Deutschland werden auch die Begriffe Chronisches Erschöpfungssyndrom oder Chronisches Müdigkeitssyndrom  verwendet. Dies ist problematisch, da Fatigue in der Medizin eine krankhafte Erschöpfbarkeit bezeichnet und daher von Müdigkeit abzugrenzen ist. Der Name Chronic Fatigue Syndrome ist seit jeher unter Ärzten und Patienten umstritten, da er zur Stigmatisierung und Bagatellisierung von ME/CFS als einfache Müdigkeit und Erschöpfung beiträgt und die Schwere der Krankheit sowie die komplexe Symptomatik nicht beschreibt. CFS wird vor allem in den USA und Kontinentaleuropa verwendet.

Myalgische Enzephalomyelitis (ME)
Die Bezeichnung wurde vom britischen Arzt Melvin Ramsay nach einem Ausbruch am Royal Free Hospital in London geprägt. Ca. 300 Ärzte und Krankenschwestern entwickelten im Sommer 1955 über mehrere Monate schwere neurologische Symptome mit anhaltender Muskelschwäche. Der Name bedeutet auf Altgriechisch »Entzündung des Gehirns und Rückenmarks mit Muskelbeteiligung«. Viele Patienten  und Ärzte bevorzugen den Begriff, da er die Schwere der Symptomatik besser abbildet als CFS. Einige Studien geben zwar Hinweise auf Entzündungen im zentralen Nervensystem, allerdings steht bis heute der endgültige Beweis für eine umfassende Entzündung des zentralen Nervensystems aus. ME wird vor allem in Großbritannien und in den skandinavischen Ländern verwendet.

ME/CFS
In den letzten Jahren setzte sich unter einigen Wissenschaftlern und Ärzten, die ME/CFS biomedizinisch erforschen, der Hybridbegriff ME/CFS durch. Dieser wird vor allem verwendet, da die gängigen klinischen Kriterien von ME und CFS sich überschneiden.  Zudem gehen einige Ärzte davon aus, dass es sich bei ME und CFS um dieselbe Erkrankung handelt, da sich die Symptomatik stark ähnelt. Bis die Ätiopathologie geklärt ist, verwenden daher einige Wissenschaftler den Hybrid ME/CFS.

Systemic Exertion Intolerance Disease (SEID)
2015 schlug das amerikanische Institute of Medicine (heute National Academy of Medicine) den Namen SEID vor. Dieser steht für Systemic Exertion Intolerance Disease, auf Deutsch Systemische Belastungsintoleranz-Erkrankung. Das IOM wollte mit diesem Namen vor allem die ausgeprägte Belastungsintoleranz bzw. Post-Exertional Malaise von ME/CFS-Patienten betonen. Der Name hat sich allerdings bis heute in Wissenschaft und Praxis nicht durchgesetzt.

Chronic Fatigue Immune Dysfunction Syndrome (CFIDS)

Ein weiterer Name für ME/CFS, der auf die mit der Erkrankung einhergehenden Immundefekte hinweist. Die Bezeichnung war in den 90er Jahren in den USA gebräuchlich, hat sich aber klinisch nicht durchgesetzt. Wird heute kaum noch verwendet.

Quellen

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  2. ICD-10 G.93.3.
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  4. Siehe Fn. 1.
  5. Siehe Fn. 3.
  6. Institute of Medicine (2015), Beyond Myalgic Encephalomyelitis/Chronic Fatigue Syndrome: Redefining an Illness, National Academies Press, Washington, DC
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  10. Fluge et al. (2015), B-Lymphocyte Depletion in Myalgic EncephalopathyChronic Fatigue Syndrome. An Open-Label Phase II Study with RTX Maintenance Treatment, PlosOne, DOI: 10.1371/journal.pone.0129898.
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  12. Fluge Ø et al. (2017) Metabolic profiling indicates impaired pyruvate dehydrogenase function in myalgic encephalopathy/chronic fatigue syndrome, JCI Insight. 2017;1(21):e89376. doi:10.1172/jci.insight.89376.
  13. Loebel M, Strohschein K, Giannini C, Koelsch U, Bauer S, et al. (2014), Deficient EBV-Specific B- and T-Cell Response in Patients with Chronic Fatigue Syndrome, PLoS ONE 9(1): e85387, doi:10.1371/journal.pone.0085387.
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  22. Siehe Fn. 6.
  23. http://me-pedia.org/wiki/CFIDS, abgerufen am 08. Oktober 2017.

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